KiTa-Reform: Was bedeutet das konkret?

SPD KREISVERBAND | Im Dezember 2019 hat der Landtag mit den Stimmen von der Regierungskoalition aus CDU, Grünen und FDP sowie den Stimmen von SSW und AfD die KiTa-Reform beschlossen. Die SPD-Fraktion im Landtag hat gegen die Reform gestimmt – und das ist aus Sicht der SPD in Nordfriesland auch die einzig richtige Haltung.

Denn aus hiesiger Perspektive überwiegen die negativen Folgen des Gesetzes deutlich. Das heißt zwar nicht, dass alles schlecht ist: Denn auch wir halten eine KiTa-Reform grundsätzlich für dringend notwendig und erachten einige Vorschläge der Landesregierung als sinnvoll. Hier seien z.B. die Wahlfreiheit der Eltern bei gleichzeitigem Gemeindekindervorrang, der Ansatz der Referenzkita oder die Begrenzung der Schließzeiten genannt.

Auch aus Sicht der SPD war also eine KiTa-Reform überfällig. Einige gute Ansatzpunkte sind vorhanden – die zentralen Punkte sind aber unbefriedigend gelöst. Die großen Versprechungen, die die Jamaika-Koalition zu Beginn des Reformprozesses gemacht hat, sind aber nicht eingehalten worden. Dies wird mit Blick auf Nordfriesland nun besonders deutlich: Eine Verbesserung der Qualität ist kaum zu erwarten, die Kommunen werden nicht entlastet und die Eltern werden entgegen anderer, falscher Beteuerungen der regierungstragenden Fraktionen in Nordfriesland sogar zusätzlich belastet.

Auch die SPD hat zu ihrer Regierungszeit nicht alles richtig gemacht. Die Einführung des Krippengeldes hat die Eltern aber konkret entlastet. Statt sich jedoch wie SPD- geführte Bundesländer – noch dazu nun mit viel mehr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittels als zu Zeiten der Küstenkoalition – auf den Weg der Beitragsfreiheit zu begeben, führt die KiTa-Reform zu Mehrbelastungen für die Eltern in Nordfriesland und vielen anderen Kreisen.

Hoffnungen wurden geweckt und nun von CDU, FDP und Grünen enttäuscht. Dies gilt nicht nur für die Landtagsfraktionen, sondern auch für die Parteien vor Ort:

So haben wir als SPD im Kreistag am 08.11.2019 einen Antrag (https://bit.ly/2Q6147h), der auf einem Beschluss über eine Musterstellungnahme des SPD-Kreisparteitages am 21.09.19 basiert, eingebracht. Ein Ersetzungsantrag der Jamaika-Kooperation aus CDU, Grünen und FDP (https://bit.ly/2CtxiRV) war fast wortgleich zu unserem Antrag – es fehlten jedoch zwei wichtige Aspekte:

  1. Es fehlt die Kritik an der geplanten Abschaffung des KiTa-Geldes für Krippenkinder i.H.v. 100 Euro pro Monat, die zu einer deutlichen Mehrbelastung von Eltern in Nordfriesland führen wird.
  2. Es fehlt das Bekenntnis zur Beitragsfreiheit in der KiTa und im Hort als Ziel des gemeinsamen politischen Handelns von Bund, Land, Kreis und Kommunen.

Zunächst wurde der SPD-Antrag mit den Stimmen von CDU, Grünen und FDP gegen die Stimmen von SPD, WG-NF und SSW abgelehnt.

Im Anschluss wurde der Jamaika-Antrag, der bis auf die zwei zentralen, fehlenden SPD-Forderungen , fast Wortgleich den Text des SPD-Antrages übernommen hat, mit den Stimmen von CDU, Grünen und FDP bei Enthaltungen von SPD, WG-NF und SSW beschlossen.

In vielen Gemeinden – z.B. Oldenswort, Ladelund oder Langenhorn – wurde auf Antrag der SPD-Fraktionen die Musterresolution mit Anpassungen an örtliche Gegebenheiten beschlossen.

Aber auch dies wurde in einigen Gemeinden verhindert – so z.B. in Mildstedt. Auch dort sehen CDU und FDP offensichtlich kein Problem in der Mehrbelastung für die Eltern und wollten kein Bekenntnis zur Beitragsfreiheit als Ziel des politischen Handelns auf allen Ebenen abgeben.

Auch CDU, FDP und Grüne vor Ort sind also mitverantwortlich für die Mehrbelastung der Eltern. Sie hatten die Chance, sich dagegen zu wehren.

Es gilt: Beitragsfreiheit nur mit der SPD. Dafür streiten wir auf allen Ebenen!

Aber was heißt das konkret?

1. Gebühren

Zunächst lohnt sich hier ein Vergleich zwischen aktuellen Elterngebühren und dem neu eingeführten Deckel, der ab 01.08.2020 gilt. Die Kreisverwaltung hat zu diesem Thema die nordfriesischen Werte abgefragt und den Durchschnitt errechnet (https://bit.ly/3ceimYw, S13.). Daraus ergeben sich folgende Werte:

Das ist auf den ersten Blick noch nicht dramatisch. Zwar ist mit diesen Werten keine (von Jamaika versprochene) Entlastung in Sicht. Da Gemeinden aber auch weniger Gebühren verlangen können als der Deckel hoch ist, bedeutet das im Grundsatz an dieser Stelle jedoch noch keine Mehrbelastung. Warum zu erwarten ist, dass viele Gemeinden aber doch eine Gebührenerhöhung bis zum Deckel vornehmen werden, steht unter 2.

Eine deutliche Mehrbelastung erfolgt aber nicht in Zusammenhang mit der eingeführten Deckelung. Sie erfolgt über die ersatzlose Abschaffung des von der SPD zu Zeiten der „Küstenkoalition“ (2012-2017) eingeführten Krippengeldes in Höhe von 100€ pro Monat.
Das bedeutet konkret:

Durchschnittliche nordfriesische Eltern zahlen für eine 8-Stunden-Betreuung in der Krippe für ihr Kind momentan 293,89€ im Monat. Gleichzeitig erhalten sie 100€ Krippengeld pro Monat vom Land, so dass – bisher – unter dem Strich eine reale Belastung von 193,89€ bleibt.

Durch den Wegfall des Krippengeldes bleibt mit dem neuen Deckel (288,40€) eine Mehrbelastung von 94,51€ im Monat als direkte Folge der KiTa-Reform (Differenz zwischen 288,40€ im neuen System und nur 193,89€ im alten System).

Auch die Landesregierung gibt zu, dass es an dieser Stelle zu Mehrbelastungen kommen kann, was ja aufgrund der Zahlen auch nicht zu bestreiten ist. CDU, FDP und Grüne argumentieren jedoch auch, dass es im Laufe der Zeit – also über die Gesamte Krippen- und KiTazeit – zu einer Entlastung der Eltern kommt. Hierbei spielen eine – zugegebenermaßen verbesserte – Geschwisterermäßigung und Sozialstaffel eine Rolle. Dass Eltern aber trotzdem nicht entlastet werden, zeigt eine selbst erstellte, von der Kreisverwaltung bestätigte Beispielrechnung.

Als Beispiel dient die gesamte KiTa-Karriere von

  • zwei Kindern

  • mit einem Altersunterschied von zwei Jahren

  • die Kinder kommen in beiden Fällen mit dem ersten Geburtstag in die Krippe

  • es findet von Beginn an eine Betreuung von 8 Stunden/ Tag statt

  • die Eltern fallen nicht in die Sozialstaffel

  • es werden die von der Kreisverwaltung ermittelten Durchschnittswerte

    bezüglich der Gebühren herangezogen

  • die Beispiel-KiTa erhöht ihre Gebühren nicht auf den Deckel

Hier finden Sie die Beispielrechnung

Insgesamt kommt auf die Beispielfamilie über die sieben Jahre eine Mehrbelastung von 3652,28€ zusätzlich zu den bestehenden Gebühren zu.
Verschärft wird die Mehrbelastung im Vergleich zwischen altem System und neuem System noch, wenn die Kinder mehr als jeweils zwei Jahre die Krippe besuchen.

In den Gremien des Kreises wird momentan diskutiert, ob und wie der Kreis eine Geschwisterermäßigung für Hort und ggf. auch offene Ganztagsschule finanziert und als „Reparaturbetrieb“ für das Land eintritt.

Sofern Gemeinden, die bisher Gebühren nehmen, die unter dem Deckel liegen, ihre Gebühren erhöhen, weil ihnen die Kosten weglaufen, erhöht sich die Mehrbelastung für die Eltern dementsprechend nochmals.
Die SPD-Fraktionen in den Gemeinde- und Stadtvertretungen werden alles versuchen, um dies zu verhindern. In Mildstedt z.B. wird es keine Gebührenerhöhung mit den Stimmen von Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern der SPD geben!

Aus der Berechnung sind Aspekte wie Essensgeld oder Kosten für Ausflüge ausgeschlossen, weil der Umgang damit zur Zeit immer noch nicht geklärt ist.

Fazit:
Die versprochene Entlastung der Eltern wird nicht kommen. Stattdessen ist für viele Eltern eine wesentliche Zusatzbelastung zu erwarten. Es wäre das Mindeste, dafür zu sorgen, dass es zu keiner Mehrbelastung kommt. Für die SPD bleibt: Bildung muss kostenfrei sein. Daher treten wir für die Beitragsfreiheit ein. Dann kann man sich auch Diskussionen über Höhe von und Verwaltungsaufwand für Sozialstaffeln und Geschwisterermäßigung sparen.

2. Belastung der Kommunen

Laut Aussage der Kreisverwaltung gehen die viele Städte und Gemeinden davon aus, eine Mehrbelastung durch die KiTa-Reform zu erfahren. Da die Prognosetools des Landes-Sozialministeriums jedoch mangelhaft sind, gibt es momentan noch keine belastbaren Zahlen für die Gemeinden.

Für den Kreis Nordfriesland geht die Verwaltung hohen Mehrkosten aus. Der letzte Stand ist ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag (http://bit.ly/384Pdf5, S4.)

Zur Bewältigung seiner Aufgaben erhebt der Kreis von den Städten und Gemeinden eine Kreisumlage, die diese extrem belastet. Das zu erwartende hohe Defizit des Kreises wird sicherlich keine positiven Auswirkungen auf die Höhe der Kreisumlage haben bzw. eine Senkung schwieriger machen.

In Kombination mit den Belastungen durch vielen Pflichtaufgaben, zu denen auch die Schaffung von neuen KiTa-Plätzen gehört, ist zu befürchten, dass nicht wenige Gemeinden – in Abhängigkeit von den örtlichen politischen Mehrheitsverhältnissen – die Gebühren anheben werden.

Fazit:
Auch die Kommunen werden insgesamt nicht entlastet.
Nachdem als weder Eltern noch Kommunen entlastet werden, müsste ja eine starke Qualitätsverbesserung zu erwarten sein.

3. Qualitätsverbesserung

Aber auch die Verbesserung der Qualität ist nicht in dem Maße zu erwarten: Bereits jetzt sind ca. 61% der Leitungskräfte in Nordfriesland freigestellt. Sehr viele KiTas erfüllen dank des Einsatzes von Träger und Kommune bereits jetzt den zukünftig gesetzlich vorgeschrieben Fachkraftschlüssel von 2,0 pro Gruppe.

Was ist mit den anderen KiTas?
Wo sollen diese Erzieherinnen und Erzieher finden?
Durch den bereits aktuell vorherrschenden Fachkräftemangel sind schon jetzt freie Stellen kaum zu besetzen. Gleichzeitig werden überall zahlreiche weitere KiTa-Plätze geschaffen, was auch dringend notwendig ist. Jede neue Gruppe ist verbunden mit zusätzlich benötigten Fachkräften. Man kann den Fachkraftschlüssel erhöhen, was sicherlich nicht verkehrt ist. Aber dann muss man auch die Antwort darauf geben, wo die Fachkräfte herkommen sollen.
Teil von Lösungen können eine bessere Bezahlung im Beruf, überhaupt eine Bezahlung in der Ausbildung (es ist ein Unding, dass man noch Geld mitbringen muss, um Erzieherin oder Erzieher zu werden) und eine größere gesellschaftliche Anerkennung für diesen so wichtigen und anstrengenden Beruf sein.
Weiterhin bleibt, dass Verfügungszeiten zu knapp bemessen sind und, dass weitere Kräfte (Reinigung, Hausmeister, Büro) in der Finanzierung nicht berücksichtigt werden.

Fazit:
Auch in Sache Qualität bringt die KiTa-Reform wohl keine Verbesserungen für Nordfriesland: Entweder die Standards bestehen schon oder die Träger müssen sich – sofern sie die Anforderungen noch nicht erfüllen – die zusätzlichen Fachkräfte schnitzen. Der Arbeitsmarkt ist leer. Vorzugaukeln, Geld zwar weniger in Beitragssenkungen, aber dafür in Qualität zu stecken, diese dann aber nicht erreichen (können), ist kein guter Stil.
Qualitätsverbesserungen sind nie verkehrt. Beim Fachkraft-Kind-Schlüssel sind momentan aber Grenzen durch den Arbeitsmarkt gesetzt. Man kann nicht so tun, als würde dieses Problem nicht bestehen und es bei der Gesetzgebung zur KiTa-Reform ignorieren.

Dieser Beitrag wurde geschrieben von Truels Reichardt.
stellv. Vorsitzender SPD Nordfriesland.

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