SPD Nordfriesland für Legalisierung von Cannabis

Zur Legalisierung von Cannabis hat wohl fast jede*r eine Meinung.

Auch der SPD-Kreisverband Nordfriesland hat sich in den letzten Monaten intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Denn nach einer Jahrzehnte andauernden gesellschaftlichen Diskussion muss nun auch die SPD im Bund zu einer Entscheidung über den Umgang mit Cannabis kommen.

Aus diesem Grund hat der SPD-Kreisverband Nordfriesland zum letzten Landesparteirat einen dort mit großer Mehrheit beschlossenen Antrag gestellt, durch den der Erwerb von Cannabis in begrenzten Mengen für den privaten Konsum legalisiert werden soll. Der Verkauf von qualitätsgeprüftem Cannabis darf nur an Volljährige in lizenzierten Shops erfolgen. Im Gegenzug zu erzielten Steuereinnahmen aus der Mehrwertsteuer und einer einzuführenden Cannabissteuer sollen kommunale Strukturen zur Suchtprävention, Suchtberatung und psychosozialen Beratung mit mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden.

Weiterhin möchten wir einen liberaleren Umgang mit Cannabis als Medikament erreichen. Die bisherige gesonderte Prüfung der Kostenübernahme von medizinischem Cannabis soll entfallen. Schon ein ärztliches Rezept muss ausreichen. 

Durch diesen Antrag wird der Landesvorstand der SPD Schleswig-Holstein aufgefordert, zu diesen Aspekten eine Beschlussfassung der Bundes-SPD auf dem nächsten Bundesparteitag zu erwirken. Ziel ist, dass die Legalisierung von Cannabis und ein liberalerer Umgang mit Cannabis als Medikament Einzug ins Bundestagswahlprogramm der SPD halten.

Dazu sagt der stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Truels Reichardt: „Weder glorifizieren wir den Konsum, noch möchten wir ihn verharmlosen. Eine Legalisierung von Cannabis würde allerdings viele Probleme lösen, die erst dadurch vorhanden sind, dass Cannabis illegal ist. Eine Gefahr für die Gesundheit durch Streckung, Verunreinigung oder unklaren Wirkstoffgehalt wird verhindert und ein besserer Jugendschutz durch die Abgabe nur an Volljährige in lizensierten Shops gewährleistet. Den Dealer um die Ecke interessiert das nicht. Wir würden den Schwarzmarkt trockenlegen, die Polizei entlasten und nebenbei noch Steuern einnehmen, die man zum Beispiel in kommunale Strukturen zur Prävention und Hilfe anlegen könnte. Das sind alles gute Argumente für eine Legalisierung, die auch nicht zwangsläufig zu mehr Konsum führt. Denn wer kiffen will, tut das auch heute schon – auf legalem Weg würde das aber deutlich sicherer passieren!

Die Prohibition ist gescheitert“, ergänzt Hendrik Schwind-Hansen, Kreisvorstandsmitglied und Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Niebüll. „Während sich Kriminelle ins Fäustchen lachen, Kinder viel zu leicht an Cannabis kommen und dem Staat Unmengen an Steuergeldern flöten gehen, glauben einige Konservative immer noch an Verbote. Wir sind optimistisch, dass der Bundesparteitag unserem Anliegen folgen wird. Und dann werben wir zur Bundestagswahl für eine starke SPD und eine Mehrheit diesseits von CDU/CSU. Denn mit denen ist auch hier nichts zu machen.“

Gleiches gilt für einen liberaleren Umgang mit Cannabis als Medikament. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Gesetzeslage aktuell vorgibt, dass Cannabis erst verschrieben werden darf, wenn kein anderes Medikament wirkt und dass dann auch noch die Krankenkassen die Kosten genehmigen müssen – was sie oft zu Unrecht nicht tun. Ärzt*innen müssen gemeinsam mit ihren Patient*innen selbst entscheiden dürfen, welches individuell das beste Medikament ist. Denn nur das Wohl der Patient*innen zählt und nicht die Interessen der Pharmalobby, der CDU und CSU auch in diesem Punkt wie so oft gehorchen. Im Wissen, dass Cannabis als Medikament natürlich nicht für jede*n geeignet ist, führt diese Haltung der Union zu vermeidbaren Leid von Menschen – und das bei einem ‚C‘ im Parteinamen“, schließt Reichardt

Den gesamten Antrag finden gibt es hier: Legalisierung von Cannabis.pdf

Der Landesparteitrat möge beschließen:

  1. Cannabis soll in begrenzten Mengen für den privaten Konsum ganz Deutschland straffrei erworben und konsumiert werden können. Die dafür erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingen auf Bundesebene sind schnellstmöglich zu schaffen.
  1. Der Verkauf von qualitätsgeprüftem Cannabis darf nur an Volljährige in lizenzierten Shops erfolgen. Internethandel bleibt verboten.
  1. Im Gegenzug zu erzielten Steuereinnahmen aus der Mehrwertsteuer und einer einzuführenden Cannabissteuer sollen kommunale Strukturen zur Suchtprävention, Suchtberatung und psychosozialen Beratung mit mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden.
  1. Eine gesonderte Prüfung der Kostenübernahme von medizinischem Cannabis entfällt. Ein ärztliches Rezept muss ausreichen. Darüber hinaus müssen Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit der Verschreibung von Cannabis auch haben, wenn andere medizinische Möglichkeiten zur Behandlung zur Verfügung stehen. Lediglich die fachliche Einschätzung der Ärztin / des Arztes darf über das verschriebene Medikament entscheiden. Dazu ist § 31 Absatz 6 SGB V zu ändern.
  1. Der Landesvorstand wird aufgefordert, die Punkte 1-4 (ggf. in redaktionell angepasster Form) als Antrag zum Wahlprogramm auf dem nächsten Bundesparteitag zu stellen.
  1. Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, die Punkte 1-4 umzusetzen. 
  1. Die SPD-Landtagsfraktion wird angehalten, die Landesregierung über den Landtag zu einer Bundesratsinitiative, die die Punkte 1-4 enthält, aufzufordern.

Begründung:

Zu 1-3:

Mit diesem Beschluss unterstützt der Landesparteirat den Beschluss vom Landesparteirat aus dem Jahr 2019 (vgl. http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/Cannabis_(2019)) und konkretisiert diesen.

Eine Legalisierung von Cannabis würde viele Probleme lösen, die erst dadurch vorhanden sind, dass Cannabis illegal ist. Durch eine Abgabe an Volljährige beispielsweise in lizenzierten Shops würde die Qualität und damit auch der Wirkstoffgehalt sichergestellt sein. 

Der Konsum und der Wirkstoffgehalt haben sich in den letzten Jahrzehnten trotz des Verbots kontinuierlich erhöht, die Prohibition ist gescheitert. Die Sicherstellung der Qualität und eine für die Konsumentin / den Konsumenten verlässliche Angabe über den Wirkstoffgehalt ist eine Grundvoraussetzung für verantwortungsbewussten und möglichst sicheren Konsum. Da trotz dieser fehlenden Sicherheit der Konsum steigt, ist eine Legalisierung kein Ankurbeln des Konsums, sondern Verbraucherschutz. Die Legalisierung garantiert, dass verlässliche Angaben zum Herstellungsverlauf gemacht werden können. Dass wir heute wie selbstverständlich wissen, wie viel Alkoholgehalt in Bier, Wein usw. ist, hat genau diese Begründung. 

Der Kauf von Cannabis beim Dealer ist deutlich gefährlicher und findet nur wegen der Illegalität statt. Dabei wird selbstredend das Thema „Jugendschutz“ gänzlich ignoriert – kein Dealer fragt nach einem Ausweis. Eine Legalisierung von Cannabis reduziert also nicht nur den Schwarzmarkt und damit die Finanzquellen von teilweise schwer kriminellen Strukturen, sondern bietet auch noch effektiven Jugendschutz. Dass es mittlerweile für Minderjährige leichter ist, an Cannabis als an Alkohol zu kommen ist ein Skandal. Gerade das noch im Wachstum befindliche Gehirn von Kindern und Jugendlichen kann im Gegensatz zu Erwachsenen bei Cannabis-Konsum nachhaltig geschädigt werden.

Außerdem würde der Staat durch eine Legalisierung Steuern erzielen, die momentan nicht erwirtschaftet werden und die man zumindest teilweise in die Suchtberatung, Prävention und psychosoziale Beratung stecken könnte und sollte. 

Gleichzeitig wird die Polizei entlastet, die Konsumenten von Cannabis wie Schwerverbrecher behandeln muss und für die die Arbeit sehr frustrierend ist. Da der Besitz von kleinen Mengen zum Eigenkonsum juristisch fast nie verfolgt wird, müssen ewig lange Dokumentationen geleistet werden, ohne dass dies einen Nutzen hat.

Natürlich hat Cannabis bei Missbrauch eine gesundheitsschädliche Wirkung. Das darf aber eine/n verantwortungsvolle/n Konsumentin/Konsumenten nicht zu Straftätern machen und auch Menschen, die Cannabis missbräuchlich verwenden, tun dies auch ohne Verbot. 

Psychosen können nicht nur verstärkt, sondern durch Cannabis sogar ausgelöst werden. Dazu muss aber bereits eine Veranlagung bestehen und/oder eine psychische Vorbelastung bestehen. Wer diese Vorbelastung hat, sollte keine berauschenden Substanzen zu sich nehmen – völlig egal ob Alkohol, Cannabis oder Ähnliches. Da Cannabis aber leider illegal ist, gibt es keine soziale Kontrolle diesbezüglich. Hinzu kommt er bereits beschriebene intransparente, aber stetig wachsende Wirkstoffgehalt, der durch die Illegalität begründet die Gefahr für Psychosen erhöht.

Weiterhin wird in der Legalisierungsdebatte häufig angeführt, dass mit Alkohol bereits eine gefährliche Droge frei verfügbar sei und eine weitere Substanz nicht wünschenswert wäre. Eine rauschfreie Gesellschaft mögen sich einige Personen wünschen; es wurde bereits deutlich ausgeführt, dass dieser Wunsch nicht realistisch ist. In diesem Sinne ist ein Vergleich der beiden Substanzen notwendig, der klar zeigt, dass Cannabis deutlich „harmloser“ ist: Während Alkohol ein Rauschgift ist, welches jährlich etwa zu drei Millionen Todesfällen führt (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/98062/Drei-Millionen-Todesfaelle-jaehrlich-durch-Alkohol), gibt es nach wie vor weltweit nicht einen einzigen bekannten Todesfall durch das Rauschmittel Cannabis. 

Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass insbesondere junge Menschen unter der Illegalität zu leiden haben. Durch die Strafverfolgung werden teilweise Erwerbsbiographien zerstört. Dadurch entsteht sowohl ein wirtschaftlicher als auch gesellschaftlicher Schaden, der nicht zu rechtfertigen ist.

Zu 4.:

Bei der Einführung des Cannabis als Medizin Gesetzes am 10.03.2017 hat der Gesetzgeber ganz bewusst auf festgelegte Indikationen verzichtet, da es Studien zu Cannabis als Medizin einfach in noch nicht in ausreichendem und klarem Umfang gibt bzw. diese teils sehr widersprüchlich sind und Cannabis auch immer sehr individuell wirkt. Gerade deshalb soll es den Ärztinnen und Ärzten überlassen werden, zu entscheiden wann für ihre Patientinnen und Patienten dies die beste Therapie-Alternative darstellt. In der Praxis zeigt sich, dass Krankenkassen die Kostenübernahme häufig zu Unrecht ablehnen. Die gesonderte Prüfung durch die Kassen ist nicht angemessen. Bei anderen Medikamenten passiert dies schließlich auch nicht. Diese logisch nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung drückt sich auch im Zitat vom damaligen Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aus: „Schwerkranke Menschen müssen bestmöglich versorgt werden. Dazu gehört, dass die Kosten für Cannabis als Medizin für Schwerkranke von ihrer Krankenkasse übernommen werden, wenn ihnen nicht anders wirksam geholfen werden kann.“ Diese Aussage spiegelt sich in § 31 Absatz 6 SGB V auch in Gesetzesform wider. Dass Cannabis erst verschrieben werden darf, wenn andere Behandlungsmethoden nichts mehr bringen, ist nicht nachvollziehbar. Es liegt der Schluss nahe, dass diese Regelung ein Ergebnis der Lobbyarbeit von Pharmakonzernen wie Bayer und Co. ist, die wie so oft erfolgreich Einfluss auf CDU-Politiker*innen genommen haben. Die hohe Hürde bei der Verschreibung führt auch dazu, dass Ärztinnen und Ärzte vor einer Verschreibung zurückstecken, um nicht stigmatisiert zu werden. 

Zu 5:

Eine Beschlussfassung muss endlich auf dem Bundesparteitag erfolgen und in das Wahlprogramm Einzug halten. Die gesellschaftlichen Mehrheiten dafür sind vorhanden. Im aktuellen Deutschen Bundestag würde es sogar die politischen Mehrheiten geben.

Zu 6.:

Die SPD-Bundestagsfraktion im Bundestag möchte kurzfristig den Konsum entkriminalisieren und immerhin Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis ermöglichen (https://www.vorwaerts.de/artikel/spd-will-abgabe-cannabis-legalisieren). Ein Beschluss der Bundespartei fehlt aber noch.

Zu 7.: 

Um den Druck zu erhöhen, muss auch das Land Schleswig-Holstein seine bundespolitischen Möglichkeiten ausschöpfen.

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